Füttern Sie bloß nicht den Troll!

Unser soziales Leben spielt sich zunehmend im Internet ab. Wenn Sie das Internet nutzen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie dort Missbrauch erfahren, beleidigt oder irgendwie unfair behandelt werden, sehr hoch. Eine Studie ergab, dass mehr als 40% der Erwachsenen bereits irgendeine Form von Online-Belästigung erlebt haben. Ich selbst kenne keinen anderen Bereich, in dem sich Menschen so häufig regelmäßigen Misshandlungen aussetzen (außer vielleicht auf der Straße beim Autofahren).

Ich bin aber fest davon überzeugt, dass wir weder Online-Trollen noch rücksichtslosen Autofahrern hilflos ausgeliefert sind. Um uns aber erfolgreich zu wehren, müssen wir aber deren Motive und Beweggründe verstehen. So zeigen Untersuchungen, dass Online-Trolle derselben Gattung angehören wie Personen, die der Dunklen Triade zugehörig sind: Es sind Menschen mit teilweise sehr schweren Persönlichkeitsstörungen. Sie verbreiten Lügen, manipulieren zum eigenen Nutzen und richten auf diese Weise enormen Schaden an. Trolle sind im Grunde genommen Cybermobber, die sich in der vermeintlichen Anonymität des Internets verbergen.

Die meisten Menschen gehen unbewusst davon aus, dass solche Menschen konventionellen Verhaltensregeln folgen. Deswegen versuchen wir zunächst vernünftig mit ihnen zu reden und an ihre bessere Natur zu appellieren. Aber das ist so, als würden Sie mit einem Freund das Gespräch suchen, der Sie unabsichtlich verletzt hat. Trolle sind aber nicht wie Ihre Freunde oder Ihre Lieben - daher nutzt es nichts, mit ihnen vernünftig sprechen zu wollen. Es gibt etliche Untersuchungen, die nachweisen, dass diese Strategie vollkommen wirkungslos ist. Das kommt vielleicht auch von einem Missverständnis über die wahren Motive eines Trolls oder Mobbers: Diesen Menschen geht es letztlich darum, Aufmerksamkeit zu erregen, Kontrolle auszuüben, andere zu manipulieren und zu verletzen.

Online-Trolle und Offline-Mobber sind sich sehr ähnlich. So wie Sie zu dem Schluss kommen würden, dass ein Fremder, der Sie persönlich angreift, schwer geschädigt sein muss, können Sie das Gleiche auch von einem Fremden sagen, der Sie in sozialen Medien angreift. Aber trotz der Tatsache, dass Online-Idioten und Offline-Idioten in der Regel derselbe Schlag Menschen sind, fühlt sich das Online-Leben so an, als wären dort besonders viele Trolle vertreten. Der Grund dafür ist, dass Trolle Trolle mögen, während es die meisten gesunden Menschen nicht mögen, getrollt zu werden. Deshalb werden Trolle von Internetforen angezogen, wo sie ohne große Gefahr oder Konsequenz ihre giftigen Pfeile abschießen können, während die anderen abwandern. Und das erhöht mit der Zeit das Verhältnis von Trollen zu Nicht-Trollen.

Die Neigung, provokante Beleidigungen zu verinnerlichen, resultiert aus einem Phänomen namens solipsistische Introjektion: Selbst das Lesen schriftlicher Kommunikation erweckt den Eindruck, als würde eine innere Stimme mit uns sprechen. Infolgedessen werden die Beleidigungen eines Trolls als eine Art selbstkritischer Äußerung erlebt, die schwer zu ignorieren ist.

Sich heute aus den sozialen Medien zurückzuziehen, ist nahezu unmöglich. Außerdem stellt sich die Frage, ob Sie sich wirklich von einem Troll verdrängen lassen möchten, nur weil er oder sie diesen Ort als persönlichen Spielplatz betrachtet. Wenn Sie Missbrauch unterbinden wollen, versuchen Sie es gezielt folgende Strategien:

1. Gestehen Sie sich ein, dass Sie gemobbt werden

Zunächst ist es wirklich wichtig sich selbst einzugestehen, dass Sie gemobbt werden. Sie können das an Zeichen erkennen, wie an herablassenden Aussagen, die keinen Sinn ergeben oder an persönlichen Beleidigungen von Menschen, die Sie nicht kennen. Wenn Sie das erkannt haben, ist der nächste Schritt sich bewusst zu machen und sich auch immer wieder zu sagen, dass nicht Sie das Problem sind, sondern der Troll.

2. Dokumentieren Sie die Situation

Schreiben Sie sich auf, was, wo, wann und wie stattgefunden hat. Notieren Sie genau, was passiert ist und wie Sie sich dabei gefühlt haben. Dieses Vorgehen hat zweierlei Zwecke: Erstens können Sie so erkennen, dass Sie nicht schuld sind und dass es nichts gibt, wofür Sie sich schämen müssen. Das Aufschreiben hat eine therapeutische Wirkung und hilft Ihnen positiv mit der Situation umzugehen. Zweitens sammeln Sie auf diese Weise auch Beweise, falls Sie die Sache öffentlich machen wollen.

3. Nehmen Sie sich eine Auszeit

Wenn Sie Opfer von Mobbing oder eines Trolls sind, nehmen Sie sich unbedingt eine Auszeit, um sich von den körperlichen und emotionalen Auswirkungen zu erholen. Wenn Sie in guter körperlicher Verfassung sind, sind Sie auch besser gegen Stress gerüstet.

4. Ignorieren Sie den Troll oder Mobber

Auch wenn es sich leichter anhört, als es tatsächlich ist: Laut dem Centre for Countering Digital Hate ist das Ignorieren des Trolls entscheidend, um Missbrauch zu stoppen. Das ergibt Sinn, wenn man bedenkt, dass Trolle nach Aufmerksamkeit suchen, auch wenn sie negativ ist. Wenn Sie nicht reagieren, verwehren Sie ihnen die Belohnung, die sie sich wünschen.

Auf Tyrannen, sei es im Internet oder im realen Leben, zu reagieren – vergessen Sie nicht, es sind oft dieselben Personen – signalisiert ihm oder ihr, dass sie die investierte Zeit und Aufmerksamkeit wert sind. Während ein gesunder Mensch Ansehen durch bewundernswertes Verhalten gewinnt, zeigen Untersuchungen zu Mobbern am Spielplatz, dass sie nach Status streben, indem sie durch Aggression Dominanz demonstrieren. Füttern Sie dieses Verhalten nicht, weder online noch offline. Idealerweise begegnen Sie Aggression mit einem ohrenbetäubenden Schweigen.

Aber was ist, wenn Sie nicht Opfer, sondern selbst ein Troll sind? Wenn Sie feststellen, dass Sie sich selbst aggressiv verhalten oder es Ihnen Freude bereitet, andere zu drangsalieren, setzen Sie sich bewusst mit Ihrer dunklen Persönlichkeitsseite auseinander. Überlegen Sie sich, ob Sie gerne die Sicherheit der Anonymität nutzen, wenn Sie auf provokante und verletzende Art Ihre Meinung sagen oder ob es Ihnen ein Gefühl der Befriedigung gibt, andere leiden zu sehen.

Wenn diese Selbstbeobachtung zur Erkenntnis führt, dass Sie selbst etwas Trollhaftes an sich haben, machen Sie sich bewusst, wie es sich anfühlt, auf der anderen Seite zu stehen. Überlegen Sie sich auch, was Menschen, die Ihnen wichtig sind, sagen würden, wenn Sie wüssten, wie Sie sich anderen Personen gegenüber wirklich verhalten. Und dann handeln Sie: Verzichten Sie auf Ihre Anonymität und erklären Sie öffentlich, dass Sie nicht mehr trollen werden. Bitten Sie um Entschuldigung und setzen Sie sich aktiv mit Ihren Opfern auseinander. Wenn Sie es dennoch nicht sein lassen können, dann ziehen Sie sich zum Wohle aller komplett aus dem Internet zurück und holen Sie sich professionelle Hilfe. Ziehen Sie den Stecker aus Ihrem Troll.